Mit dem lange erwarteten Urteil vom 18. Mai 2010 (BVerwG 3 C 21.09) erklärt das Bundesverwaltungsgericht die Praxis der "Konzernjuristen" im Konzern der Deutsche Bahn AG für unzulässig.
Im Jahr 2006 hatte das Netzwerk Privatbahnen e.V. Beschwerde beim Eisenbahnbundesamt erhoben gegen die ständige Praxis der DB Netz AG, sich von den Juristen des Mutterkonzerns Deutsche Bahn AG in rechtlichen Fragen beraten zu lassen. Diese Zusammenarbeit betraf insbesondere Fragen des Netzfahrplans, der Trassenzuweisung und der Wegeentgelte. Die ohnehin bestehende Verflechtung zwischen den zwei - nach dem Willen des Gesetzgebers eigentlich unabhängigen - Einheiten Netz und Betrieb, welche sich täglich für die privaten Wettbewerber in Form unterschiedlichster großer und kleiner Benachteiligungen bemerkbar macht, wurde durch diese Zusammenarbeit - die sogar die rechtliche Verfahrensvertretung durch Juristen der Konzernmutter nach außen beinhaltete - in besonders gedankenloser Weise offensichtlich gemacht.
In seiner Beschwerde hatte das Netzwerk Privatbahnen - vertreten durch die Kanzlei Orth Kluth Rechtsanwälte - dargestellt, dass eine derartige fachliche Dienstleistung eine massive inhaltliche Einflussnahme auf wichtige Entscheidungen darstellt. Wenn die Konzernmutter DB AG ihren Konzerntöchtern - das sind neben der DB Netz AG u.a. verschiedene Eisenbahnverkehrsunternehmen - über eine zentrale Rechtsabteilung an wichtigen Entscheidungen der Tochterunternehmen unmittelbar beteiligt ist, kann von einer Unabhängigkeit der Netzbetreiberin nicht mehr die Rede sein, insbesondere gegenüber den zum gleichen Konzern gehörenden Eisenbahnverkehrsunternehmen. Denn in beiden Unternehmen werden dann die relevanten rechtlichen Entscheidungen letztlich durch die gleichen Personen vorbereitet.
Dieser Argumentation war das Eisenbahnbundesamt gefolgt und hatte Anfang 2007 eine entsprechende Verbotsverfügung erlassen. Gegen das Verbot hatten sowohl die DB Netz AG als auch die Deutsche Bahn AG Klage erhoben.
Nach unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Mai 2010 (BVerwG 3 C 21.09) die Klagen nunmehr abgewiesen und damit das Verbot der „Konzernjuristen“ bestätigt. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts erlaube das Gesetz zwar, dass ein Schienenwegebetreiber wie die DB Netz AG in Konzernstrukturen mit Eisenbahnverkehrsunternehmen verbunden sei - wenigstens aber müsse er dann in seiner Entscheidungsfindung von ihnen unabhängig sein, soweit es um die Zuweisung von Zugtrassen an Verkehrsunternehmen und um die dafür erhobenen Entgelte gehe.
Hierfür reiche es nicht aus, dass die Entscheidungen formal von unterschiedlichen Vorständen getroffen würden. Erforderlich sei dabei insbesondere auch, dass die Vorbereitung dieser Entscheidungen von jeglicher Einflussnahme im Interesse des Mutterunternehmens oder eines verbundenen Verkehrsunternehmens freigehalten werde. Denn rechtliche Beratung bedeute zwangsläufig auch Einflussnahme auf den Inhalt der Entscheidung, hierin liege schließlich gerade ihr Sinn.
Gegen dieses Gebot der Unabhängigkeit werde verstoßen, wenn die DB Netz AG Juristen mit ihrer rechtlichen Beratung und Vertretung beauftrage, die Arbeitnehmer des Mutterunternehmens sind. Die in § 9a des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) vorgeschriebene Unabhängigkeit der Betreiber von Schienenwegen in netzzugangsrelevanten Entscheidungen sei, so das Bundesverwaltungsgericht, nur dann gegeben, wenn auch bei der Vorbereitung dieser Entscheidungen jegliche Verquickung ausgeschlossen ist.
Die DB Netz AG wird daher in Zukunft andere, eigene oder externe Juristen beauftragen müssen, die nicht mit denen der DB AG oder der anderen Verkehrsunternehmen des DB Konzerns identisch sind. Diese Bestätigung durch das Bundesverwaltungsgericht ist zu begrüßen. Sie zeigt erneut, zu welchen Komplikationen es führt, wenn Netzbetreiber und Verkehrsunternehmen Unternehmen eines gleichen Konzerns sind. Eine deutlichere Trennung von Netz und Betrieb ist eine seit Jahren erhobene Forderung des Netzwerk Privatbahnen.
Darüber hinaus beseitigt sie mit dem Verbot der „Konzernjuristen“ einen offensichtlichen Misstand. Angesichts der zahlreichen in der Praxis weiter bestehenden Verflechtungen und gemeinsamen Interessen hat dieser Befreiungsschlag allerdings wohl nur die Spitze des Eisberges getroffen. Es werden weitere Anstrengungen erforderlich sein, bis so etwas wie Chancengleichheit zwischen den Eisenbahnverkehrsunternehmen erkennbar wird.