Die Bundesnetzagentur hat gestern mitgeteilt, dass sie die Durchleitungskosten der DB Energie GmbH beim Fremdbezug von Energie durch Eisenbahnverkehrsunternehmen von anderen Energieversorgung für die Umwandlung in die Bahnstromfrequenz und die Durchleitung durch das Bahnstrom- Hochspannungsnetz um 23 Prozent gegenüber dem DB-Antrag gesenkt hat. Diese Maßnahme wird von der Bundesnetzagentur als „wesentlicher Schritt hin zu mehr Wettbewerb auf der Schiene“ bezeichnet.
Diese Einschätzung ist unsinnig: Die Entscheidung der Bundesnetzagentur hat überhaupt keine kurzfristige und wahrscheinlich auch keine langfristige Auswirkung auf die Kostenbelastung der Wettbewerbsbahnen, die elektrische Fahrzeuge im deutschen Schienennetz einsetzen.
Derzeit nutzt – soweit bekannt – kein einziges Eisenbahnverkehrsunternehmen die seit 2004 theoretisch vorhandene Möglichkeit, Energie bei anderen Energieversorgern einzukaufen. Dazu wäre einerseits die Umformung von anderweitig bezogenem Strom aus der normalen Stromfrequenz von 50 Hz in die Bahnstromfrequenz von 16,7 Hz notwendig, zum anderen die Durchleitung durch das Hochspannungsnetz von der DB Energie GmbH bis zur Einspeisung bei der DB Netz AG. Die DB Energie GmbH verlangt jedoch bislang ein Durchleitungsentgelt in Höhe von 6,61 Cent pro Kilowattstunde – ein aberwitzig hoher Wert, der Eisenbahnverkehrsunternehmen vom Fremdbezug abhalten soll. Bei Direktbezug des Bahnstroms von der DB Energie GmbH fallen nämlich Kosten von durchschnittlich 11,55 Cent pro Kilowattstunde an. Kein Drittanbieter von Strom kann zu der Differenz (Bahnstrompreis von DB Energie abzüglich Durchleitungsentgelt) von 4,94 Cent pro Kilowattstunde ein konkurrenzfähiges Angebot unterbreiten.
Die jetzt getroffene Entscheidung betrifft also derzeit nur den theoretisch möglichen Fremdbezug. Dieser Fremdbezug wird aufgrund des Zwangs zur Umformung gegenüber der von DB Energie angebotenen Vollversorgung technisch auf absehbare Zeit nicht konkurrenzfähig sein. Bei der Vollversorgung muss der Bahnstrom nämlich zum großen Teil nicht umgeformt werden, sondern wird kostengünstig direkt mit der Bahnstromfrequenz von 16,7 Hz erzeugt.
Für die Wettbewerbsbahnen feiert sich hier die Bundesnetzagentur für einen in der Praxis irrelevanten Scheinerfolg. Dazu mofair-Vizepräsident Hans Leister: „Wir brauchen keinen Regulierungs-Aktivismus, sondern den Abbau der konkreten Diskriminierung durch DB Energie“.
Alexander Kirfel, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen: „Interessant wäre die Entscheidung der Bundesnetzagentur nur, wenn sie die Durchleitungsentgelte der DB Energie GmbH nicht um, sondern auf 23 % des derzeitigen Wertes abgesenkt hätte. Dann hätten die Wettbewerber eine Alternative zum Bahnstrombezug vom Monopolisten DB Energie GmbH.“
Tatsächlich zahlen die Wettbewerbsbahnen für die Bahnstrom-Vollversorgung durch DB Energie weiter einen überhöhten Preis, aus zwei Gründen: Die DB Energie GmbH räumt den DB-konzerneigenen Verkehrsunternehmen einen Sonderrabatt von 5% ein und vergütet den von modernen Lokomotiven beim Bremsen zurückgespeisten Strom nur mit einem Teil des tatsächlichen Werts. Da die Wettbewerbsbahnen praktisch ausschließlich solche modernen Fahrzeuge einsetzen, während die DB noch eine große Anzahl nicht rückspeisefähiger Lokomotiven einsetzt, hat die DB hieraus einen Vorteil.
Wichtig ist die Abschaffung der tatsächlichen Diskriminierung der Wettbewerbsbahnen durch DB Energie. Das kann am einfachsten und schnellsten durch freiwillige Änderung des Preissystems der DB Energie geschehen. Dass die DB AG drei Jahre nach der Ära Mehdorn immer noch Wettbewerber offen diskriminiert, ist ein Anachronismus. In jedem Fall muss die Bundespolitik die Bahnstromversorgung in den Eisenbahngesetzen als Teil der Serviceleistungen, die diskriminierungsfrei zu erbringen sind, mit aufführen, um weiteren Missbrauch zu verhindern. Gegenwärtig enthält der Entwurf des neuen Eisenbahn-Regulierungsgesetzes absurderweise sogar die Regelung, dass die Bahnstromversorgung gerade nicht zu dem vom Gesetz erfassten Regulierungsbereich gehört.