Das schreckliche Eisenbahnunglück, das sich am Abend des 29.1.2011 in Hordorf in Sachsen-Anhalt ereignet hat, wäre vermeidbar gewesen.
10 Menschen mussten sterben, weil die DB Netz AG zu Zeiten von Hartmut Mehdorn als Konzernvorstandsvorsitzendem zu wenig Geld in die Sicherheit der Strecken investiert hat. Während auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik die Deutsche Bundesbahn bereits 1969 alle Hauptstrecken mit der sogenannten „Indusi“ (= Induktive Zugsicherung) ausgerüstet hatte, fehlte der Deutschen Reichsbahn der DDR das Geld dafür.
Die Technik ist seit 1934 bewährt und hat seitdem tausenden Menschen das Leben gerettet. Grob gesagt funktioniert sie dergestalt, dass bei Überfahren eines „Halt“ zeigenden Hauptsignals (Signalfarbe: rot) unverzüglich eine Zwangsbremsung ausgelöst wird. Wenn nach Überfahren eines „Halt erwarten“ zeigenden Vorsignals (Signalfarbe: gelb) binnen vier Sekunden kein „Quittieren“ per Tastendruck erfolgt, wird ebenfalls automatisch eine Zwangsbremsung ausgelöst. Das gleiche gilt, wenn mit zu hoher Geschwindigkeit auf ein „Halt“ zeigendes Hauptsignal zu gefahren wird.
Spätestens seit der Bahnreform wäre es vordringliche Aufgabe der Deutschen Bahn AG gewesen, den Sicherheitsstandard, der auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik herrschte, auch in den neuen Bundesländern einzuführen. Stattdessen wurden Hochgeschwindigkeitsstrecken für etwa 60 Milliarden € gebaut. Das Sicherheitsniveau der Infrastruktur im Osten blieb dagegen vielerorts auf dem Stand der DDR.
Auch im Jahr 2011 existieren in den neuen Bundesländern über 800 Kilometer Hauptstrecke ohne Induktive Zugsicherung. Darunter befinden sich zweigleisige, elektrifizierte Hauptstrecken wie Halle – Leinefelde (über 139 Kilometer lang), bei der zwar vereinzelt die Geschwindigkeit über Indusi-Magnete überwacht wird – die Vor- und Hauptsignale sind aber ohne Induktive
Zugsicherung. Aus unserer Sicht ist das Sparen an der Sicherheit skandalös, zumal jede Rangierlok, die nur 45 km/h erreicht oder jede Museumsbahn-Dampflok mit Indusi ausgerüstet sein muss.
Bei der Infrastruktur gelten andere Maßstäbe, und das ist auch noch gesetzlich verankert: In § 15 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) ist festgelegt, dass ein Zugbeeinflussungssystem, das einen Zug selbsttätig zum Halten bringt, nur bei Hauptbahnen vorgeschrieben ist, die mit mehr als 100 km/h befahren werden. Bei Hauptbahnen, die mit maximal 100 km/h befahren werden, kann das Bundesverkehrsministerium die Ausrüstung mit Zugbeeinflussung vorschreiben (§ 15 Absatz 4 EBO).
Daraus ergibt sich eine direkte Verantwortlichkeit des Bundesverkehrsministeriums (und damit der Bundesregierung). Geboten ist es jetzt, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung der DB Netz AG die Ausrüstung aller Hauptstrecken in Deutschland mit Induktiver Zugsicherung vorschreibt.
Sollte dies nicht geschehen, setzt sich die Bundesregierung dem Vorwurf aus, dass sie das Leben von Menschen im Osten Deutschlands weniger hoch achtet als das von Menschen, die im Gebiet der alten Bundesrepublik leben – denn Hordorf kann jederzeit wieder passieren.
Der derzeitige Zustand ist im Übrigen auch eine Zumutung für die Lok- und Triebwagenführer, die in den neuen Bundesländern Dienst tun: Die Angst fährt immer mit.