Wer den Ende März erschienenen Geschäftsbericht der DB AG für das Jahr 2009 unter die Lupe nimmt, der erkennt interessante Dinge: Bereits über 12 % der Gesamtgewinns vor Steuern (EBIT) des Konzerns werden durch private Wettbewerber erwirtschaftet. Bei einem Gesamtgewinn von 1,7 Mrd. € entfallen über 205 Mio. € auf Gelder, die durch private und kommunale Wettbewerbsbahnen in die Kassen der DB gespült werden. Klingt widersinnig? Ist es auch. Die mittelständisch geprägten Wettbewerbsbahnen, die sich insbesondere im Güterverkehr, aber auch im Personenverkehr durch Innovation und Qualität mühsam Marktanteile erkämpft haben, finanzieren explizit den Expansionskurs des DB-Konzerns mit.
Wie funktioniert dieses System?
Im Zuge der Bahnreform 1994 sind Infrastruktur (Strecken, Bahnhöfe, Werkstätten) und Betrieb (Güterverkehr, Regional- und Fernverkehr) nicht getrennt worden. Jeder Wettbewerber zur DB AG muss im Personenverkehr Entgelte für Stationshalte bei der DB-Tochter Station und Service entrichten. Möchte man beispielsweise zwischen Hamburg und Köln fahren, muss eine Trasse bei der DB-Tochter DB Netz bestellt werden. Und bei langen Strecken werden aus Wirtschaftlichkeitsgründen meist Elektrolokomotiven eingesetzt – der Strom hierfür kommt aus der Oberleitung und wird von DB Energie bereitgestellt.
Im Geschäftsbereich DB Netze Personenbahnhöfe werden bei rund 1 Mrd. Umsatz, wovon über 36% auf Nicht-DB-Bahnen entfallen, 217 Mio. € EBIT (Gewinn vor Steuern) erwirtschaftet. Macht 78,8 Mio. € an EBIT durch private und kommunale Wettbewerber.
Der Geschäftsbereich DB Netze Fahrweg hat 2009 knapp 4,4 Mrd. € Umsatzerlöse erwirtschaftet und ein EBIT von 558 Mio. € erzielt. Der Umsatzanteil der Wettbewerbsbahnen beträgt hier 17,5% - macht 97,7 Mio. € EBIT durch Privatbahnen.
Schließlich gibt es noch den Geschäftsbereich DB Netze Energie, der 2009 bei einem Gesamtumsatz von 2,3 Mrd. € ein EBIT von 103 Mio. € erwirtschaftet hat. Der Umsatzanteil der Privatbahnen liegt hier rein rechnerisch bei 27,9 %. Das ergibt einen EBIT-Anteil von 28,7 Mio. €. Allerdings gewährt DB Energie den DB-Konzernunternehmen einen „Großkundenrabatt“ von 5%. Selbst alle Privatbahnen in Deutschland zusammengenommen können die für diesen Rabatt benötigte Abnahmemenge nicht erreichen. Der EBIT-Anteil der Privatbahnen liegt also in Wirklichkeit noch um einige Mio. € höher.
Das ergibt summa summarum einen EBIT-Anteil von über 205 Mio. €. Als Dank dafür geht die DB AG auf Einkaufstour im In- und Ausland und kauft mit dem Geld, was sie vom Steuerzahler und von mittelständisch geprägten Privatbahnen erhält, Wettbewerber auf, um sich ihre Monopolstellung zu erhalten. Derzeit laufen gerade die Verhandlungen über einen Kauf des britischen Konzerns Arriva, der in Deutschland sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr aktiv ist. Alexander Kirfel, Geschäftsführer von Netzwerk Privatbahnen: „Das ist eine ungeheure Perversion. Wir haben nichts gegen Wettbewerb, aber er sollte fair sein. Davon kann hier keine Rede sein.“
Netzwerk Privatbahnen fordert vor diesem Hintergrund zum wiederholten Mal eine organisatorisch und rechtlich strikte Trennung von Netz und Betrieb. Die Politik ist jetzt gefragt, endlich für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen.
Über das Netzwerk Privatbahnen:
Im Netzwerk Privatbahnen sind seit 2001 23 private Güterbahnen aus ganz Europa zusammengeschlossen, wobei der Großteil der Mitgliedsbahnen in Deutschland ansässig ist. Dabei wird der Begriff „private Güterbahnen“ als Synonym für „Wettbewerbsbahnen“ benutzt: Diese Bahnen bekennen sich zu mehr Wettbewerb auf der Schiene und haben sich dazu entschieden, dieses volkswirtschaftlich und verkehrspolitisch wichtige Ziel durch ihre Mitgliedschaft bei Netzwerk Privatbahnen aktiv zu fördern. Netzwerk Privatbahnen repräsentiert ein Umsatzvolumen von ca. 500 Mio. €/a.